Der Ort

Simmeringer Hauptstraße 234, 1110
Der Zentralfriedhof ist der zweitgrößte Friedhof Europas und umfasst mehr als 2,3km². Als man in den 1860er Jahren einen Ort für eine große zentrale Bestattungsstelle suchte, wurde das Areal in Simmering nicht zufällig ausgewählt. Es sollte außerhalb der Stadt liegen aber verkehrstechnisch erschließbar sein. Wichtig war bei der Entscheidung, dass der Boden wichtige Bedingungen erfüllte: Ein hoher Lössanteil für die Gartengestaltung und als notwendige Voraussetzung für die rasche Verwesung der Leichen, eine tektonische Beschaffenheit, die eine toxische Gefährdung des Grundwassers verhindert und dass die Luftströme sich nicht zur Stadt bewegen. Seit seiner Eröffnung 1874 fanden hier mehr als 3 Millionen Menschen ihre letzte Ruhestätte.

Das Thema

Friedhöfe innerhalb urbaner Siedlungsgebiete sind erst mit Aufkommen christlicher Beerdigungsrituale entstanden. Im Zuge der Aufklärung und zunehmender Bodenknappheit expandierender Städte im 18.Jahrhundert wurden die Rufe zur Verlegung der Friedhöfe außerhalb des Stadtgebietes lauter. Als aufgrund des rapiden Wachstums die Vorstadtfriedhöfe die Toten der Hauptstadt nicht mehr aufnehmen konnten und die Kirche inakzeptable Finanzforderungen hinsichtlich Bewirtschaftung der Gräber stellte, wurde 1863 im Gemeinderat der Bau eines großen zentralen kommunalen Friedhofs beschlossen. Der Zentralfriedhof wurde 1874 eröffnet und war ursprünglich als überkonfessioneller Friedhof geplant. Am Friedhof entzündeten sich aber bald politische, wissenschaftliche und kulturelle Debatten, die die jeweiligen zeithistorischen Diskurse widerspiegelten. Der „Zentral“ entwickelte sich über die Jahre auch zu einem Repräsentationsort der Ersten und Zweiten Republik und ist heute aufgrund seiner Diversität ein Spiegelbild gesellschaftlicher Veränderungen.

These

Der Zentralfriedhof ist nicht nur die letzte Ruhestätte für über 3 Millionen Verstorbenen, sondern bildete auch eine Projektionsfläche für politische, kulturelle und medizin-wissenschaftliche Diskurse seit über 150 Jahren.

Zu Gast

Veronika Barnaš ist Kulturwissenschafterin, Kuratorin und Filmemacherin. Gegenwärtig schreibt sie an ihrer Doktorarbeit zu den Arbeitsbedingungen von Schausteller*innen.

Tipps

Zum Lesen:

Werner T.Bauer: Wiener Friedhofsführer. Wien 2004

Zum Informieren und Verkosten:
Faltpläne, Kaffeetassen und Friedhofsbienenhonig:

https://shop.friedhoefewien.at/

Zum Vorbereiten:
Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof. Simmeringer Hauptstraße 234.
Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr: 10.00-16.00.
https://www.bestattungsmuseum.at/

Zum Einstimmen:
Wolfgang Ambros: Es lebe der Zentralfriedhof. Bacillus Records. 1975