Der Ort

Graben 22, 1010. Die öffentliche Bedürfnisanstalt am Graben wurde 1905 im Jugendstil errichtet und sollte als Leuchtturmprojekt für die sich international repräsentierende Kaiserstadt dienen. Vor allem für TouristInnen und Flaneure des sogenannten gehobenen Bürgertums gedacht, wurde die Toilette mit teuren Baumaterialien und den damals neuesten hygienischen Errungenschaften ausgestattet. Zeitweise mit Blumengirlanden ausgeschmückt und einem Aquarium versehen, sollte diese Toilette Anlage die Modernität und Eleganz des imperialen Wiens repräsentieren. Doch trotz des offensiv nach außen getragenen Selbstbewusstseins musste der Bau mit Kompromissen leben. So wurde die Anstalt fast verschämt in den Untergrund verbannt und es musste ein Respektabstand zum Stephansdom eingehalten werden. Die Anlage besteht heute noch und steht unter Denkmalschutz.

Das Thema

In der Geschichte der Städte stellte die Beseitigung menschlicher Fäkalien diese immer vor großen Herausforderungen. Die Verrichtung der Notdurft im öffentlichen Raum war nicht nur ein hygienisches und sittliches Problem, die Einrichtung von öffentlichen Bedürfnisanstalten wurde auch immer mit politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragestellungen verknüpft. Mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass nicht beseitigte Fäkalien die Auslöser für zahlreiche Krankheiten sind und dem explosiven Bevölkerungsanstieg in Wien wurden ab Ende des 18.Jahrhundert intensiv nach Lösungen gesucht, wie die enormen Mengen an menschlichen Exkrementen aus der Stadt hinaustransportiert werden könnten. So unternahm die Stadt zahlreiche Versuche, das Hygieneproblem in den Griff zu bekommen. An der Diskussion um öffentliche Toiletten entzündeten sich auch zahlreiche andere Themen, wie z.B. die der geschlechtliche Gleichbehandlung, der Klassenunterschieden und der Sexualpolitik.

Tipps

Zum Lesen:

  • Luke Barclay: Es steht ein Klo im Nirgendwo, 2016
  • Thomas Bernhard: Alte Meister, 2008


Zum Finden